Förderkreis zur Erhaltung 
 der Ruine Wachtenburg e.V. 
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
   
Förderkreis zur Erhaltung
der Ruine Wachtenburg e.V.
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Vom Wert der Wachtenburg
Fragen zur Rolle und zum Wert der Wachtenburg
sowie ihrer Bedeutung in der Hand des
Johann von Luxemburg.


Evon Dr. phil. Holger Grönwald M.A., Berlin

Cui bono?

Viele der unzähligen Besucher führen die grandiose Aussicht und die Burgschänke auf die Wachtenburg. Den Wanderern erschließt sich schnell, dass die Anlage einige Bedeutung hatte. Das Burgmuseum vermittelt zudem mit seinem Modell den Umfang des einstigen Bestands. So wird gefragt:
          Wem nutzt(e) es?
          Wann war die Burg von welcher Bedeutung?
Ansätze, denen seit einiger Zeit mit archäologischen Untersuchungen und ihrer Aufarbeitung nachgegangen wird. Gelegenheit dazu boten vor allem das wiederholt an dieser Stelle vorgestellte Projekt der Errichtung des unterirdischen Funktionsbaus (vgl. die Hefte 60/2010-64/2012) sowie aktuell die zur Sanierung der östlichen Umfassungsmauer nötigen vorbereitenden Untersuchungen. Die für die Errichtung der Burg verantwortlichen Urheber und den Ausbau protegierenden Landesherren sind bekannt: Die häufig abwesenden, etwa in Italien weilenden Könige, die staufischen Pfalzgrafen und ihre welfischen Nachfolger. Deren ausführende Auftragnehmer waren die im kurpfälzischen Kern ansässigen Bolanden (vgl. Heft 55/2007, S. 2). Am übergang zum 13. Jh. entstand sie in einer nach heutigem Verständnis kaum fassbaren, zur für die Inhaber profitablen Erhebung von Steuern und Zöllen günstigen Schlüssel- und Grenzposition. Ausschlaggebend war eine Schnittstelle der Interessenssphären der Reichsstädte Worms und Speyer (innerhalb des Worms und zwischen dem Nahe- und dem Speyergau führte ein am Bliesgau endener Korridor).2
Die lehennehmenden Ministeriale hatten im erweiterten hochmittelalterlichen Landesausbau konkrete wirtschaftliche und machtpolitische Interessen. Entsprechend ihrer familiären oder strategischen Parteinahme gab es Konflikte um Besitz, Einfluss und Interessenssphären. Ein wehrhaftes, finanz- bzw. abgabetechnischen Kriterien angepasstes Verwaltungszentrum war erforderlich, dass man sich nicht als statisch-starres Gebilde oder Ländereien scheidende Schutz- und Trutzburg vorstellen darf. Der gerodete Bauplatz wurde nach den bisherigen Grabungsergebnissen rasant erschlossen. Wegen des ausgeprägten Schutzbedürfnisses gab man dafür kleine Herrschaftssitze in der Niederung auf (möglicherweise die Altenburg und die Hollerburg/Osthof).



Langfristig war die Burg als ausbaufähige, repräsentative Immobilie angelegt. Mit der überwindung des Interregnums nahm sich ihrer der den Staufern eng verbundene erste habsburgische König Rudolf I. (* 1218, † 1291) mit allen Rechten und Besitzungen 1273 selbst an. 1100 Mark zahlte er dafür an die Ganerbengemeinschaft der Burginhaber.3 So gelangte die Wachtenburg erstmals unmittelbar in königliche Hand, während vor Ort nicht unbedeutende Leininger Burggrafen königlichen Geblüts und Burgmannen Kontinuität wahrten (sie sind an anderer Stelle ausführlicher zu betrachten). Die damit verbundenen überlieferungen bieten uns weitere Details zum der Burg beigemessenen Wert bzw. den Kosten ihrer Unterhaltung: Das sog. Afterlehen wurde mit nicht ganz einer Mark entsprechender 300 Kölner Hellern in 219 g Silber entlohnt, einer wertstabilen Leitwährung im verschiedene, nach dem ersten Prägeort Hall in Schwaben benannter Heller aufweisenden kurmainzisch- kurpfälzischen Raum (1 Kölner Heller = ein halber Silberpfennig bzw. Denar von 1,46 g; statt sonst 240 besaßen 160 Pfennige den Wert einer Mark von 233,6 g). (Vgl. Abb. 1 auf der gegenüberliegenden Seite). Bereits im Folgejahr „schenkte“ Rudolf die Burg dem Gatten seiner Tochter Mathilde, dem wittelsbacher Pfalzgrafen Ludwig den Strengen (* 1229, † 1294).4
Obwohl Rudolf die Kaufsumme aus der Mitgift seiner Tochter einbehielt, investierte Ludwig rege. Nach nur sieben Jahren schätzte man, als Ludwig die Burg seinem ältesten, noch vierzehnjährigen Sohn Ludwig Elegans (* 1267, † 1290) zudachte, deren Wert um 1900 Mark (Kölnischer Pfennige) höher als zuvor ein: Um 608.000 auf 961.000 Heller gestiegen entsprach er immerhin über 700 kg Silber! Diese kursierten natürlich nicht, der Schatz war die Burg selbst. Nach heutigem Ermessen sind dies ca. 301.350 EUR, was im historischen Vergleich durch den Wertverfall des Silbers in der Neuzeit irrelevant ist. Es ging um ein mehrere Millionen wertes Objekt, dessen weiterer Vergabe Rudolf nun nicht mehr zustimmte. Trotzdem als Entschädigung 1282 immerhin Weinheim, Wiesloch und Heidelberg geboten wurden, bemühte sich Ludwig Elegans weiter um die Wachtenburg. Er verzichtete 1288 auf die Burg und die Stadt Heidelberg, um endlich bei Eheschließung mit der Tochter Herzogs Friedrich III. von Oberlothringen als angemessener Burgherr auftreten zu können.5 Die damit verbundenen und parallelen habsburgisch-wittelsbacher Streitigkeiten sind zu komplex, um sie hier näher auszuführen. Ludwig verpfändete die Unterhaltung der Burg, damit wenigstens ein Teil seiner Ausgaben zurück floss. Doch er verstarb 1290 an einer in Nürnberg erlittenen Turnierverletzung. Sein Anrecht am Erbe der Pfalzgrafschaft ging an Rudolf I. den Stammler (1294 bis 1317; * 1274, † 1319), der sich zudem als rechtmäßiger Wachtenburg-Besitzer betrachtete. Um die Verpfändungen zu lösen, bedurfte es wieder eines Eingriffs seines königlichen Großvaters mütterlicherseits, Rudolfs von Habsburg.6 Doch dem Stammler nutzte die Unterstützung dessen, der das Reichslehen dauerhaft in die Pfalzgrafschaft bei Rhein eingebracht hatte nichts. Ludwig der Strenge hielt die Hand darauf. Nachdem Ludwig IV. der Bayer (* 1282/86, † 1347) im Streit um die Rheinpfalz gegenüber dem Stammler die Oberhand behielt und das geteilte Erbe Ludwigs des Strengen 1313 einte, übertrug er für eine dreizehn Jahre währende, elementaren Ausnahmezeit das Wachenheimer castrum an niemand geringeren als den Grafen von Lützelburg, Markgraf von Mähren und böhmischen König Johann von Luxemburg (später `der Blinde´; * 1296, † 1346). Er musste sich in der zentralen Grafschaft des Reiches nicht nur die machtstrategischen Basen in ihm loyaler Hand sichern. Die Burgen waren bedeutsamen politischen Instrumenten bei der Partnerbindung gegen die Habsburger und ihre Verpfändung wichtige Einnahmequellen.

Die ära des Johann von Luxemburg

Ein Jahrhundert nach ihrer Gründung gelangte die Wachtenburg so in einem nahezu idealen Ausbauzustand als äußerst zentral gelegene, seinem Status wahrlich angemessene Feste in die Hand des Sohnes Kaiser Heinrichs VII. sowie Vater Karls IV. Eine für das Heilige römische Reich (HRR) und das europäische Spätmittelalter bedeutsame Persönlichkeit. Wozu benötigte Johann sie? Die Heirat mit Prinzessin Elisabeth/Eliška Premyslovna 1310 in Speyer und die Belehnung mit Böhmen hatte ihm Anspruch auf die Nachfolge des böhmisch-tschechischen Herrschergeschlechts der Premysliden und die wichtigsten Stimme unter den weltlichen Kurfürsten neben dem Pfalzgrafen bei Rhein, dem Herzog von Sachsen und dem Markgrafen von Brandenburg gesichert (die böhmische beanspruchte allerdings gleichfalls der Herzog von Kärnten). 7 Titularisch führte er die polnische Krone und machte Anrechte auf Ungarn geltend. Die Titelhäufung zeigt mit der geerbten Anwartschaft auf den deutschen Thron, dass für ihn eine zum Kaisertitel führende Karriere vorgesehen war. Soweit wurde sie nicht umgesetzt und zwischenzeitlich entbehrte der nur selten selbst nach Böhmen kommende jugendliche König Johann de facto einer Hausmacht und ohne Grundherrschaft aller nötigen Einkünfte. Beim Tod seines Vaters waren ihm die Hälfte der nötigen Wahlstimmen sicher gewesen. Die Bildung einer luxemburgischen Dynastie hatte allerdings der Habsburger Friedrich III., der Schöne (* 1289, † 1330) verhindert. Er ließ sich am 19.10.1314 auf den vakanten deutschen Thron wählen und die luxemburg-wittelsbacher Partei reagierten am Folgetag mit der Wahl Ludwigs des Bayern vor den Toren Frankfurts, der sich Johann als Kompromisslösung fügte (beide Gegenkönig blieben ungesalbt). Rückblickend entging der Wachenheimer Burg damit quasi das Privileg, zum Sitz eines deutschen Königs und Kaisers sowie zu einem der Aufbewahrungsorte der Reichsinsignien zu werden. Angemessen ausgestattet war sie und die weltliche Macht des HRR sollte sich ab 1316 hier konzentrieren: Johann erhielt die Burg als Angelpunkt seiner weiträumigen Aktivitäten und lenkte von hier aus als ranghöchster der weltlichen Kurfürsten die Geschicke des Reiches in Vertretung des in Italien weilenden deutschen Königs. Unter seiner ägide verkörperte die Wachtenburg vorbildlich den Idealtyp einer Reichsburg. Sie stand im Zentrum der europäischen Politik, zu deren Friedensrichter der berühmte Ritter und Turnierkämpfer avancierte. Der dafür nötigen baulichen Erweiterung um einen geräumigeren, dem Empfang der Elite der Reichsritterschaft dienenden neuen Palas widmet sich teils die aktuelle archäologische Grabung, über deren Ergebnisse noch zu berichten ist. Die Belehnungsphase Johanns kann man getrost als Blütezeit der Wachenheimer Burg ansehen, alle jüngeren Erweiterungen waren anders gearteten militärischen Voraussetzungen geschuldet. Das Fundmaterial lässt zwar nur mit wenigen Fragmenten die einstige Pracht und den Glanz der Ausstattung erahnen, doch der außerordentliche Bedeutungszuwachs überflügelte selbst jüngere Anlagen wie etwa auf dem Trifels. Bei dessen Erneuerung nahm man anscheinend enge Anleihen am Wachenheimer Vorbild.8
Warum gab Johann die Wachtenburg wieder auf? Ausschlaggebend war eine räumliche Verlagerung seiner Aktivitäten, denn für seinen Einsatz während der letzten großen Ritterschlacht im deutschsprachigen Raum 1322 beim salzburgischen Mühldorf erhielt er die Reichspfandschaft Eger als Erweiterung der böhmischen Besitzungen. Hinsichtlich seiner Rolle im HRR verfolgte er in machtstrategischem Kalkül zudem die Etablierung einer luxemburgischen Herrschaft in Norditalien. Der vom Gegenpapst Nicolaus V. 1328 gekrönte `Kaiser´ Ludwig erreichte dort nicht die von ihm angestrebten Ziele. Im entstandenen Spannungsverhältnis zu diesem verzichtete Johann 1329 auf Wachenheim, dessen Entwicklung zur Stadt er anstieß. Er musste sich französische Hilfe vom Hof Philipp´s VI. de Valois (* 1293, † 1350) einholen, an dem er sich schon länger orientierte. Dabei eingegangene Verpflichtungen waren theoretisch mit dem Ende seiner Aktivitäten in Italien ab 1333 hinfällig. Doch es bestand ein Vertrag, der Johann zum Verhängnis wurde. Er zog in den 1337 ausbrechenden sog. 100jährigen Krieg mit England und fand 1346 in der Schlacht von Crécy einen sinnlosen, seine Rolle als vorbildlichen Ritter allerdings nachhaltig überhöhenden Tod. Die ihm verwehrten Würden ergriff sein Sohn Karl, den man exakt nach drei Monaten als Gegenkönig zu Ludwig wählte. 1349 regulär gekrönt, trat er 1355 die Kaiserwürde an. Wie ging es auf der Wachtenburg weiter? Johanns kontinuierlich verlagerten Verpflichtungen hatten die Verleihung von Burgteilen erfordert, denen er sich nicht persönlich widmen konnte. Dem mit der aufwändigen Pflege und Unterhaltung betrauten Burgvogt und den Burgmännern erlaubte dies erweiterte statusrechtliche Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der aristokratischen Hierarchie – hier mehr als an anderen Orten im HRR während des zweiten Viertels des 14. Jh. Beträchtliche Einkommensmöglichkeiten bot die Burgmühle am Fuße des Burgbergs, die ab 1324 ein Jakob von Wachenheim bewirtschaftete. Der neu ausgebildeten Stadt gewährte Ludwig der Bayer 1341 die ihr entsprechenden Rechte und in pfalzgräflicher Hand blieb die Burg noch weitere 160 Jahre herrschaftlich angebunden. über ihre Zerstörung und Offenlassung hinaus sicherte sie ihren Besitzern einen hohen Status. In königliche Hand gelangte sie aber nicht mehr.



Anmerkungen:

1: Eine durch Marcus tullius cicero (* 106, † 43 v. chr.) bei der Verteidigung des Sextus Roscius amerinus (Kap. 84) angewandte, damit nachhaltig verschriftlichte und populär gewordene Frage. nach ihm bzw. den zusatz illud Cassianum geht sie auf den Richter Lucius Cassius Longinus Ravilla zurück.
2: das durch die den Diözesen entsprechende fränkische Gaugliederung aufgeteilte, mit durch schmale Korridore verbundene Grafschaften und ämter zergliederte südwestliche Herzogtum Franken umgaben als spätere Kurpfalz zudem reichsintern das Erzbistum Mainz, die Markgrafschaft Baden, das Herzogtum Lothringen und das Erzbistum Trier mit der Grafschaft Sponheim. Nassau, die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und das Herzogtum Wirtemberg grenzten an (zur sensiblen Lage Wachenheims vgl. F. Wendel, Geschichte der Stadt Wachenheim an der Weinstrasse (Neustadt 1967) S. 21f.).
3: Mitglieder der bolandischen Familie von Falkenstein bzw. von Münzenberg (vgl. a. Schwarz, u. Welz, d. Barz, Wachtenburg. In: Pfälzisches Burgenlexikon, bd. 4.2 (Kaiserslautern 2007) S. 166).
4: Vgl. H. P. Niedhammer, Geschichte der Stadt und Burg Wachenheim a. d. h. (Wachenheim 1906) 44 f. Anm. 4 nach Abhdl. der Kurfürstl.-Baierischen akad. d. Wiss. Bd. III (München nach 1763) S. 115.
5: Vgl. J. G. Widder, Versuch einer vollständigen Beschreibung der kurfürstlichen Pfalz am Rheine I-III (Frankfurt/leipzig 1786–1788) S. 325–336.
6: Zur zu Germersheim 1291 ausgestellten Urkunde vgl. Acta Academiae Theodoro-Palatinae bd. VII (Mannheim 1794) S. 278 nr. 8.
7: Zu den sieben Kurfürsten gehörten des weiteren die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier.
8: Der Zenit des Trifels unter Johanns Vater zwischen den 1230er Jahren und dem letzten Viertel des 13. Jahrhundert war bereits ein halbes Jahrhundert vorüber. Heinrich VII. weilte dort nur 1234/1235 und die unter ihm und bis 1246 hier untergebrachten Reichsinsignien verwahrte man nun an verschiedenen anderen Orten auf.



   
   
   
   
   
     
     

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